über Eberhard Friedrich zum 200ten Geburtstag

Moosmann Schäfer

Ferdinand Moosmann und Rudi Schäfer schrieben 1993-1994 über das Werk Eberhard Friedrich Walckers das vorliegende Buch, wobei die Beschreibung der Klanggestalt seiner Werke und die Darstellung der erhaltenen Werke eine grundlegende Basis darstellen. Im Prinzip handelt es sich hier um eine sehr gute Zusammenfassung der Schriften über EFW bis 1994.
Über die Klanglichkeit EFW werden wir unter unserer Rubrik "Klanglichkeit" einige wichtige Passagen aus Moosmann/ Schäfer zitieren.
Bei Moosmann/ Schäfer werden die bestehenden Orgeln EFWs in Kategorien von Kat1-Kat5 eingestuft, wobei Kat1 originales Werk sein soll, während Kat5 nicht mehr erhalten ist. Nach diesem Schlüssel werden 60 Instrumente in ihrem Buch dargestellt und klassifiziert. Dieser Klassifizierung kann man allerdings nicht konsequent folgen, wenn beispielsweise 20%-30% Substanz einer Orgel neu eingebaut wurden, so meinen wir, ist es nicht mehr gerechtfertigt von originaler Klangsubstanz zu sprechen. Natürlich kann auch ein Werk mit 100%iger Klangsubstanz völlig umintoniert sein und daher nicht mehr dem originalen Klangbild entsprechen, was aber sicher der seltene Ausnahmefall sein wird.
Die Darstellung in diesem Buch ist hervorragend. Als Nachschlagewerk und zusammenfassendes Quellverzeichnis ist es ein unentbehrliches und fleissig recherchiertes Werk, das Eberhard Friedrich Walckers Schaffen in einer gründlichen Weise doikumentiert.
Hier haben wir einen Auszug aus dem Buch, das in Kurzform die Innovationen des Meisters darstellt.


 

Walcker Innovationen im Orgelbau

Walckers Innovationen im Orgelbau

Die Orgel der Romantik wurde durch Eberhard Friedrich Walcker entscheidend geprägt. Die von ihm ausgehenden Impulse wurden durch seine Schüler und Kollegen multipliziert und so zum festen Bestandteil im Orgelbau des 19. Jahrhunderts. Nachfolgend sind die wichtigsten Innovationen kurz zusammengefaßt:

1. Als bedeutendste Neuerung ist seine für das 19. Jahrhundert stilbildende Dispositionsweise zu nennen, die von Abbe Vogler zwar beeinflußt, von ihm jedoch in entscheidenden Punkten anders konzipiert wurde. Während Vogler die Doppelfunktion vieler Pfeifen und damit "Verflüssigung und Verdünnung der Farben, Labilität der Klangkomplexe und Auflockerung des Gesamtklangs"63 anstrebte, bevorzugte Walcker stets eine ausreichende Anzahl von Grundstimmen. Das ihm vorschwebende Klangideal verwirklichte er erstmals an der Frankfurter Paulskirchenorgel. Was Hermann Fischer und Theodor Wohnhaas über den dispositioneilen Klärungsprozess in Frankfurt schreiben, gilt eigentlich für die gesamte Romantik: "Keiner [...] hat den Wandel des Klangideals so genau aufgespürt und die neue Richtung so treffend beurteilt, wie Walcker." (Fischer-Wohnhaas in Orgelwissenschaft und Praxis)

2. Das von Sorge und Tartini entdeckte und von Vogler propagierte Prinzip der Kombinationstöne (additive Klangverschmelzung) nutzte Walcker als erster konsequent aus. Im Pedal wird durch Kombinieren einer 16' und 10 2/3' Reihe der akustische 32' erzeugt. Die tiefe Oktav des Violonbaß 16' wird bei kleineren Instrumenten mit 8' und 5 1/3' gebildet. Im Manual und Pedal wird durch konsequentes Disponieren von Aliquoten der Grundton verstärkt und gefestigt.

3. Der offene 32' im Pedal konnte in der unteren Oktav klanglich nur sehr unbefriedigend ausgeführt werden. An der Paulskirchenorgel in Frankfurt gelang Walcker dieses Register erstmals so, daß es bis zum tiefsten Ton herunter klar und rein ansprach (Durchmesser der größten Pfeife ca. 50 cm, Höhe ca. 9,8m).(Fischer, Das Orgelbauergeschlecht Walcker)

4. Vogler hatte die in Frankreich und England entstandenen Schweller in seine Reiseorgeln übernommen. Walcker wandte diese Neuerung erstmals in derFrankfurter Paulskirchenorgel an. Die Stimmen des III. Manuals stellte er in ein Gehäuse, welches in der Front verstellbare Klappen besaß (Jalousieschweller). Manche Zungenstimmen (z.B. Hautbois und Physharmonica) erhielten eine eigene Windabschwächung, letztere zusätzlich noch einen beweglichen Deckel (Kastenschweller). Damit war ein sehr expressives Spiel möglich.

5. Eine weitere Maßnahme zum raschen Dynamikwechsel war das von Walcker in der Frankfurter Paulskirchenorgel erstmalig eingebaute Pianopedal (II. Pedalklaviatur), welches später auch von Schulze in Paulinzella und Reubke in Hausneindorf übernommen wurde.

6. Die Ulmer Münsterorgel versah er mit einer IV. Klaviatur als Koppelmanual, auf der die Zungenstimmen getrennt zu spielen waren. Für die Lingualstimmen selbst baute er eine neue Stimmvorrichtung, die durch einfaches Schrauben verstellbar war. Auch die großen Labialstimmen wurden von ihm verbessert: "Zum Zweck einer recht prompten Intonation der 32 füßigen und 16 füßigen Stimmen habe, sowohl bei zinnernen als hölzernen Pfeifen, ich eine Vorrichtung invenirt, daß die richtige Lage des Kerns vermittelst einer Stellschraube reguliert werden kann". (Ausstellung in München und Ehrenmedaille 1856)

7. Die nach der klanglichen Prägung der Romantik wichtigste Neuerung Walckers war die Einführung und Verbreitung der Kegellade. Seine Entwicklungsarbeit nahm bei der Springlade ihren Anfang, führte dann zu einschlagenden Kegeln, die, in einem dritten Schritt an Lederschwänzen geführt, später dann mit Stift und Schere versehen wurden. Das neue Ladensystem, in der Einführungszeit (bis 1844) manchmal noch mit Schleifladen im Pedal kombiniert, fand über seine Schüler und Kollegen eine weite Verbreitung. Die Historie des neuen Ladensystems wird im nächsten Abschnitt ausführlich behandelt.

8. Die Kegellade ermöglichte die Entwicklung von Spielhilfen. Die ersten Kollektivtritte wurden an der Orgel der Kathedrale von Agram (Opus 127, 1855, 111/52) eingebaut. Auch ein Crescendo für sämtliche Register war erstmals vorhanden; "welch letzteres eine ganz gewaltige Wirkung macht". Die Orgel der Musikhalle in Boston (Opus 193, 1863, IV/89) besaß als Crescendoanzeige bereits ein rundes Zifferblatt mit Zeiger.

9. Die Einführung des verrundeten Spieltisches wird üblicherweise Cavaille-Coll zugeschrieben. Eine von der Petriorgel (Opus 37, 1836-1840, 111/63) noch vorhandene Zeichnung belegt aber, daß Walcker schon damals diese Bauweise vorsah. Da aus späterer Zeit keine verrundeten Spieltische von ihm mehr bekannt sind, so ist daraus zu schließen, daß er diese Bauart eventuell nur einmal anwendete. Mit Cavaille-Coll stand Walcker in regem Gedankenaustausch. Cavaille-Coll übernahm von Walcker den Bau der Kegellade, außerdem lernte er durch ihn die Voglerschen Prinzipien (Simplifikationssystem, Kombinationstöne) kennen. Walcker übernahm von Cavaille-Coll das System des Barkerhebeis (von Walcker "pneumatische Heber" genannt), sowie mit einiger Wahrscheinlichkeit auch die Anwendung der Expressionen. (heute eher wahrscheinlich von Marcussen)


10. Da Walcker große Orgeln baute, hatte er bei deren Aufstellung vor Ort stets erhebliche Montageprobleme zu bewältigen. Die besondere Schwierigkeit lag darin, daß der erstmalige Zusammenbau des kompletten Instruments immer weitab von der Werkstätte geschah. Um diesen Aufwand auf ein Minimum zu reduzieren, errichtete er etwa 1834 einen Orgelsaal, der 1843 durch einen weiteren Umbau auf seine endgültige, kirchenähnliche Größe gebracht wurde. Die meisten Anpaßarbeiten ließen sich nun in der Werkstätte durchführen, die Bauzeit am Bestimmungsort reduzierte sich ganz erheblich. Außerdem konnte eine klangliche Beurteilung oder Vorabnahme stattfinden und alle Mitarbeiter durften nun die von ihnen geschaffenen Orgeln auch hören, was vorher nie möglich war.

11. Der Bau einer Zinnhobelmaschine im Jahre 1850 bedeutete eine wesentliche Verbesserung der Pfeifenherstellung. Das auf der Gießlade zu Platten erstarrte Zinn mußte bis dahin von Hand mit einem Hobel auf die geeignete Stärke reduziert werden. Diese Tätigkeit war anstrengend und erforderte eine besondere Geschicklichkeit des Personals. Die Qualitätssteigerung durch die Hobelmaschine bestand darin, "daß die Zinnplatten dann jedem mathematisch bedungenem Dickengrad und nicht mehr aufs Geradewohl nach dem bloßen Gefühl ausgearbeitet wurden. Welch wesentlichen Werth ein auf diese Art ausgearbeitetes Register hat, beweist der Effekt eines solchen deutlich, denn nicht bloß die egale Wanddicke einer einzelnen Pfeife, sondern auch die gleichmäßig progressive Abstufung der Wanddicken von der größten bis zur kleinsten Pfeife eine Registers bedingen den egalen Toncharakter derselben".